Eine »Meute« in neuem Licht – Informationen zur Kunst und den Kunstwerken gibt es auf Führungen und im Netz., Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Gütersloh (gpr). Im Stadtraum ausgestellte Kunstwerke mit gezielter Beleuchtung in den Blickpunkt zu rücken, aufmerksam machen für Skulptur und Bildende Kunst in der Stadt - das ist das Ziel der Aktion »Glowing Art«, die der städtische Fachbereich Kultur im Rahmen des diesjährigen »Kultursommers«. Noch bis zum 26. September 2021 werden deshalb geführte Wanderungen auf unterschiedlichen Routen angeboten, auf denen Kunstobjekte illuminiert und auf besondere Weise erfahrbar sind.
Den Anfang machte Reiner Kuhn, Vorsitzender des Vereins zur Förderung plastischer Kunst, mit einer Tour entlang der Dalke bis zu Ólafur Elíassons Dufttunnel im Botanischen Garten. Obwohl Regenwolken an schwer und dunkel über dem Stadtpark hingen, hatten sich mehr als ein Dutzend mit Regenkleidung gut ausgestattete Kunstfreunde eingefunden. Erste Station waren die die ebenso spielerisch wie ein wenig geheimnisvollen Objekte, die der Künstler Manfred Billinger im Stadtjubiläumsjahr 2000 zum Fabelpfad im Stadtpark komponiert hat. Und tatsächlich darf man sagen: Die Spiegelungen durch Regenschauer, die hereinbrechende Nacht, das an den Objekten gebrochene Licht und der kräftige Duft der Bäume im Park erweiterten das sinnliche Erlebnis.
Als sachkundiger Wanderführer holte Kuhn die Kunst-Spaziergänger und Spaziergängerinnen in ihrem Alltag ab: »Sie kennen das: Wenn Sie ihre Treppe gefegt und den Besen in die Ecke gestellt haben, wird der unsichtbar. Sie erkennen ihn erst wieder, wenn ihr Blick anders fällt. Aus einer anderen Richtung oder mit einem anderen Ziel.« Genau diesen Effekt erreiche die Beleuchtung, die für diesen Abend von CDR Elektronic eingerichtet wurde. Billingers Werke, so Kuhn, würden sich an diesem Abend ganz neu entdecken oder eben »in neuem Lichte« betrachten und entschlüsseln lassen.
An der Skulptur »Est« am Anfang der Open-Air-Galerie sind sofort die wesentlichen Merkmale der Kunst des Bildhauers aus Hamm ablesbar. Seine Fabelwesen wirken unerwartet zweidimensional und erinnern eher an Zeichnungen, Scherenschnitte oder Graffiti, die in Stahl geschnitten wurden. Dabei greifen Linien und Form die Natur der Umgebung auf, in der sie stehen: Blattwerk, Äste, Tiere und Pflanzen.
Der Kontrast zwischen dem rostigen Cortenstahl und dem gelben Auto beschreibt die Beziehung des Künstlers zu Natur und Technik. Das findet sich in allen am Fabelpfad aufgestellten Objekten wieder. Billingers Wesen sollen Lehrstücke über menschliches Verhalten und Denken erzählen oder zum Nachdenken darüber anregen. »Est« verdeutliche hier den Ursprung der Technik in der Beobachtung der Natur, erklärt Kuhn. »Das Wesen kreisste und gebar ein Auto«, assoziierte ein Teilnehmer mit Augenzwinkern. Dieser Humor war auch Manfred Billinger, der 2001 verstarb und die komplette Fertigstellung des Fabelpfades nicht mehr miterleben konnte, eigen.
Vorbei geht es an Hunu, dem sich auf einen mächtigen Schwanz stützenden Riesen mit edel ausgeformten Kopf, an Pesel sowie der Dreiergruppe mit den Nesi und dem hintergründig freundlichen, spielerisch sympathischen Reiter mit Herz, einem Liebling der Kinder. Hinter einem dichten Regenvorhang grüßen abseits, in der Aue, zwei Federwesen, ohne sich um die Wanderer zu kümmern. Erst an der mit 5,20 Metern höchsten und an die Frühzeit der Menschen erinnernde Gruppe »Mammut mit Himmelsschiff«, die der Wanderführer als Metapher für die allmähliche Zerstörung der naturgewachsenen Welt interpretiert, hält die Gruppe wieder an. Auf einer Klippe aus Anröchter Dolomit hält eine fliehend aufgestellte Figur ein mythisches Zeichen, ein Herrschaftssymbol, in der Hand. Am Fuß des Sockels steht ein archaisches Tier mit Stoßzähnen. Eine Jagdszene? Deutet Billinger hier die Herrschaft des Menschen über die Natur an? Da liegt die Wahrheit im Auge des Betrachters.
Der Vogelfänger ein Stück weiter hat keine Beute gerissen. »Stattdessen sitzt ihm ein gefiederter Angreifer im Nacken. Billingers bissig-ironischer Kommentar zur Frage, ob Menschen oder die Natur die Oberhand behalten, ist aktuell«, interpretiert Kuhn. Ähnlich auch seine Meinung zur »Gütersloher Meute«, die ihn an die Bremer Stadtmusikanten erinnere. Auch die hätten sich der Herrschaft des Menschen entzogen. »Manch einer mag hier nur rostigen Stahl sehen. Andere erkennen, dass dieses und die anderen Fabelwesen Lehrstücke über menschliches Verhalten und Denken erzählen«, beschließt er den ersten Teil des Rundgangs. Über Billinger lässt sich wunderbar fabulieren.
Am Ende des Weges schimmert helles Licht durch den Blätterwald. Olafur Eliassons Dufttunnel glüht im Botanischen Garten und lädt zu einem Rundgang durch diese imponierende botanische Installation, eine der künstlerisch wichtigsten Skulpturen in der Stadt, ein. Dreißig verschiedene Pflanzen blühen dort während der gesamten Vegetationszeit, verführen mit ihrem Bouquet, schaffen damit einen meditativen Raum. »Eliassons Kunst hilft, über die Folgen menschlichen Handelns nachzudenken, dessen Position als Teil eines größeren Systems zu verstehen«, so Kuhn. Er plädiert für eine Welt, die auf Koexistenz und Zusammenarbeit setzt und fordere mit seiner Kunst eine nicht nur menschenzentrierte Sichtweise auf die Welt. Damit schließt der weltbekannte isländische Künstler nahtlos an die Gedankenwelt Manfred Billingers an.
Zu weiteren geführten Rundgängen durch die Innenstadt lädt der städtische Fachbereich Kultur am Sonntag, 12. September 2021, und am Samstag, 25. September 2021, jeweils um20 Uhr, an den Theodor-Heuss-Platz sowie zur Wiederholung der Wanderung auf dem Fabelpfad am Sonntag, 26. September 2021, ebenfalls um 20 Uhr, ein. Diese Wege werden außerdem am 11. und 12. sowie am 25. September 2021 von 19 bis 23 Uhr (Innenstadtweg), außerdem am 26. September 2021, von 19 bis 23 Uhr (Fabelpfad), für individuelle Wanderungen ausgeleuchtet.