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Hans Münch: der »gute Mensch von Auschwitz« – Mythos, Medizinversuche und moralischer Abgrund
#Gütersloh, 20. Juli 2025
Er galt jahrzehntelang als Ausnahmefigur unter den Tätern von #Auschwitz – als »guter Mensch«, als SS Arzt mit Gewissen. Doch das Bild von Hans #Münch, geboren 1911 in #Freiburg, ist brüchiger, als es lange schien. Münch war als #Mediziner im #Konzentrationslager Auschwitz tätig, wurde nach dem Krieg im berüchtigten #Krakauer #Auschwitzprozess freigesprochen – als einziger von 40 Angeklagten. Später praktizierte er als Landarzt im bayerischen #Roßhaupten. Doch spätestens mit seinem öffentlichen Auftreten in den 1990er Jahren und einem Interview im »#Spiegel« begannen die Konturen seines Lebenswerks zu verschwimmen – und das Narrativ des »guten SS Arztes« zu kippen.
Hans Münch stammte aus einer bildungsbürgerlichen Familie, seine Mutter kam aus einem akademischen Milieu, sein Vater war Botaniker. Nach dem Abitur in Dresden studierte er Medizin, wurde Mitglied der #AV #Virtembergia in #Tübingen, trat dem NSDStB, dem NSKK und später der NSDAP bei. Seine Karriere in der Waffen SS begann 1942 – laut eigener Aussage »auf Drängen«. 1943 wurde er dem #Hygiene #Institut der #Waffen #SS in #Rajsko bei Auschwitz zugewiesen, wo er unter Bruno Weber #Experimente an #Häftlingen durchführte.
Im Vergleich zu den brutalen Versuchen von Clauberg oder Mengele erscheinen Münchs Forschungen zunächst »harmloser« – doch das ist eine fatale Relativierung. Er zog #Häftlingen #Zähne, injizierte ihnen Eiter, testete Malaria Resistenzen an Menschen, verwendete menschliches Gewebe für bakterielle Nährböden. Später sprach er selbst davon, »medizinisch arbeiten zu können, wie sonst nur an #Kaninchen«. Solche Äußerungen warf ihm später sein eigener Sohn vor – Münch sei zu diesem Zeitpunkt dement gewesen, hieß es. Auch das Simon Wiesenthal Zentrum schaltete sich ein, nachdem Münch sich öffentlich als Täter bekannt hatte – und seine Rolle gleichzeitig mit wissenschaftlicher Bedeutung aufwertete.
1946 kam Münch nach #Krakau vor Gericht. Häftlinge sagten zu seinen Gunsten aus – er habe nicht an Selektionen teilgenommen, habe geholfen, sogar Leben gerettet. Das Tribunal bescheinigte ihm »wohlwollendes Verhalten«, der Freispruch erfolgte trotz seiner Beteiligung an medizinischen Experimenten. Es war ein Einzelfall in einem Massensystem der Vernichtung. Münch wurde nach Deutschland entlassen, erhielt die Approbation zurück und praktizierte bis ins hohe Alter.
In den 1980er und 1990er Jahren trat Münch wiederholt öffentlich auf – bei Gedenkveranstaltungen, in Zeitzeugengesprächen. 1995 reiste er gemeinsam mit der Überlebenden Eva Mozes Kor zur Gedenkstätte Auschwitz. In Dokumentarfilmen wie »Die letzten Tage« und »Der Judenmord« sprach er über seine Zeit im Lager. Doch seine Aussagen schwankten – mal gestand er ein, Täter gewesen zu sein, mal stellte er sich als Mitläufer dar. In einem Interview sagte er: »Ich war der König im Hygiene Institut.« In einem anderen nannte er die Lagerbedingungen »ideal für wissenschaftliche Arbeit«.
1998 löste ein #Interview im »Spiegel« eine breite Debatte aus. Münch sprach über seine Versuche, die Umstände, und über Menschenversuche, bei denen er #Bouillon aus menschlichem Gewebe zur Forschung nutzte. Die #Staatsanwaltschaft ermittelte – doch wegen seiner »fortgeschrittenen Demenz« wurden die Verfahren eingestellt. Ein Schuldspruch wegen Volksverhetzung in Frankreich blieb folgenlos – Münch wurde zwar verurteilt, aber nicht bestraft.
Das Bild des »guten Menschen von Auschwitz« war damit erschüttert. Ehemalige Häftlinge, die ihn entlastet hatten, standen im Verdacht, ihm im Gegenzug für medizinische Hilfe Schutzbriefe ausgestellt zu haben. Historiker wie Helgard Kramer und Institutionen wie das Fritz Bauer Institut ordneten seine Rolle differenzierter ein: Münch war #Täter. Auch wenn er sich an den Selektionen angeblich nicht beteiligte, blieb seine Rolle als SS Arzt im System Auschwitz zentral. Der Mythos vom »menschlichen SS Mann« – er steht exemplarisch für das juristische und moralische Dilemma der Nachkriegszeit, das sich auf formale Beweise stützte und strukturelle Schuld oft ausblendete.
Hans Münch starb 2001 im Alter von 90 Jahren. Sein Fall bleibt ein Lehrstück – über die Grenzen juristischer Aufarbeitung, über die #Gefährlichkeit von #Legendenbildung, über die #Grauzonen von #Täterschaft. Und über die Frage, wie #Erinnerung gestaltet werden darf – und wo sie aufhören muss, wohlwollend zu sein.
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